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Große Kehrwoche – Kleine Kehrwoche

Ich lebe im schönen Schwabenländle, wo die Kehrwoche – zusammen mit dem „Heiligen Blechle“ (das eigene Auto) und dem Häusle (das Eigenheim) so etwas wie ein „Heiligtum“ und eine hartnäckig gelebte und verteidigte „Institution“ ist. Für alle Nicht-Schwaben hier vorab eine kurze Erklärung, was es damit auf sich hat:

Im Jahr 1492, während sich auf der anderen Seite der Erde ein gewisser Christoph Kolumbus aufgemacht hatte, um Amerika zu entdecken, stank es dem damaligen Herzog Eberhard der I von Württemberg gewaltig, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Zu der Zeit war es nämlich üblich, dass Abfall, Speisereste und Fäkalien einfach aus den Fenstern auf die Straße gekippt und dort den Ratten, dem Ungeziefer und sich selber überlassen wurde. Den Gestank kann und möchte man sich heute glaube ich überhaupt nicht mehr vorstellen, was man sich aber sehr wohl vorstellen kann ist, dass diese Methode für die allgemeine Volksgesundheit alles andere als zuträglich war. Um den dadurch immer heftiger grassierenden Krankheiten und Seuchen Einhalt zu gebieten, erließ der Herzog von Württemberg also damals eine Verordnung, durch die die Leute verpflichtet wurden, ihren Müll „zum Fluss zu tragen und dort zu entsorgen“. Aus heutiger Sicht auch nicht wirklich die beste Variante, aber zumindest in dieser Hinsicht haben wir ja inzwischen wenigstens ein bisschen dazu gelernt. Die Verordnung besagte außerdem, dass mindestens 2x in der Woche „die Wege und Gassen um das Haus herum zu reinigen und sauber zu halten seien“. Der positive Effekt FÜR ALLE war sehr schnell spürbar, was die Bürger vom Sinn des Ganzen überzeugte und sie dadurch ermunterte, damit weiter zu machen. Und die Volksgesundheit erholte sich zusehends.

Nachdem 222 Jahre später, 1714 der damalige Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg dann wieder mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte, sich an die alte Verordnung eines seiner Vorgänger erinnerte und feststellen mussten, dass sich inzwischen fast niemand mehr daran hielt, erließ er in der sog. „Stuttgarter Gassensäuberungsordnung“ das „Gesetz zur Sauberkeit“. Es umfasste 7 Seiten und als Gesetz hatte es den Vorteil, dass die Nichteinhaltung unter Strafe gestellt werden konnte. Dass es gleichzeitig auch das Denunziantentum förderte, wurde unter den gegebenen Umständen als das kleinere Übel betrachtet. Und obwohl das Gesetz für die „schwäbische Kehrwoche“ im Jahr 1988 unter Federführung des damaligen Oberbürgermeisters von Stuttgart Manfred Rommel, (unter einigen Protesten und Bedenken), offiziell abgeschafft und in eine Empfehlung umgewandelt wurde, in der die strenge Auslegung von „2x in der Woche“ in der heutigen Version „bei Bedarf“ lautet, ist eine „nach altem Vorbild“ festgeschriebene Auslegung bis heute immer noch fester Bestandteil der meisten Mietverträge. Die sog. kleine Kehrwoche regelt dabei den Bereich direkt vor der eigenen Wohnungstür sowie den Treppenabsatz zum nächsten Stockwerk, die große Kehrwoche die Gemeinschaftsbereiche wie Waschküchen und Trockenräume, Plätze für die Mülleimer, die Wege und den Bereich rund ums Haus… Seit Mitte der 1990er-Jahre werden diese Dienste oft an Hausmeisterservices abgegeben und diese Leistungen auch sehr gerne in Anspruch genommen. Häufig aber immer noch unter strengen Blicken der „schwäbischen Hausfrau“ (die je nach Wohneinheit durchaus jederzeit auch ein Mann sein kann), ob das ja auch alles „ordentlich gemacht wird“… Dies war also ein kleiner geschichtlicher Ausflug zum besseren Verständnis für alle Nicht-Schwaben… J 

Wie komme ich aber gerade jetzt auf dieses Thema? Einige Erlebnisse in den letzten beiden Wochen in meinem persönlichen und auch weiteren Umfeld, sowie die Erfahrungen von gar nicht so wenigen Personen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis haben mich doch sehr nachdenklich gemacht, befremdet und überrascht. Und so ist es mir wichtig, einmal meine Gedanken dazu zu äußern. 

Vorab: ich kann sehr gut verstehen, dass diese Situation der weltweiten Pandemie, die uns nun schon seit über einem Jahr begleitet, für ALLE herausfordernd und für viele Menschen frustrierend und schwer zu ertragen ist. Auch ich bin nicht immer die „Ausgeglichenheit in Person“ und habe durchaus auch meine „“Themen“. Ich kann auch verstehen, dass durch die oft sehr eingeschränkten oder zum Teil ganz fehlenden persönlichen Kontakte sich immer wieder mal einiges „aufstaut“, das einfach manchmal ein Ventil braucht. Was mir aber immer schwerer fällt dafür Verständnis aufzubringen, ist diese in meiner Wahrnehmung rapide um sich greifende Unart, seinen eigenen Frust häufig „ungefragt und ohne Vorankündigung“ unreflektiert einem anderen quasi „vor die Füße zu schmeißen“. Bis zum Jahr 1492 war es üblich, seinen eigenen Unrat einfach aus dem Fenster zu werfen, oft ohne sich vorher zu vergewissern, ob nicht unten vielleicht gerade jemand unbeteiligtes vorbeiläuft und den ganzen „Mist“ abbekommt. Aber obwohl inzwischen fast 530 Jahre vergangen sind, sehe ich heute doch viele Parallelen zu diesem Verhalten.

So passiert es immer öfter ohne Vorankündigung, dass einem vollkommen unvorbereitet ein übervoller „Müllkübel“ aus Angst, negativen, etwas oder jemand anderen abwertende Ansichten, ordentlich vermischt mit ganz viel persönlichem Frust sinnbildlich „über den Kopf gestülpt wird“ kaum, dass man jemanden auf der Straße trifft, den Telefonhörer abnimmt oder die Tür öffnet. (die sozialen Netzwerke sind hier noch gar nicht angesprochen…) Diejenigen, auf die sich dieser Frust und diese Abwertungen richten, sind dabei genauso beliebig austauschbar (Familienmitglieder, Freunde, Bekannte, Chefs, Kollegen, Politiker, Ämter, Polizei oder sonstige Institutionen…), wie die meist unbeteiligten Personen, die diesen Kübel dann ungefragt über ihren Kopf gestülpt bekommen. Viele Menschen scheinen sich inzwischen für eine Art „Personalunion“ aus Polizei, Staatsanwalt, Richter und Vollstrecker ihres eigenen, ganz persönlichen Gesetzbuches zu halten. Übrigens einem oft sehr engmaschig gehaltenen Gesetzbuch, dessen allermeiste Paragraphen sie noch nicht einmal selbst verfasst und geschrieben haben, die aber trotzdem – häufig vollkommen unreflektiert – nicht weniger vehement und oft „bis aufs Blut“ verteidigt werden.

Selbst für eine erfahrene Energiearbeiterin wie mich bedeuten solche Situationen eine ECHTE Herausforderung. Manchmal kostet es mich einen wirklichen Kraftakt, dabei mein eigenes Energiefeld trotzdem „sauber zu halten“. Mal ganz abgesehen davon, dass ich auf die Frage „Wie geht es DIR?“ EHRLICHES Interesse an einer Antwort auf GENAU DIESE FRAGE habe. (sonst würde ich nicht fragen) Ich möchte mir aber stattdessen nicht eine Flut an Urteilen auf Grund von vermeintlichen „Verfehlungen“ anderer Menschen anhören. (von denen ich die meisten übrigens nicht mal kenne und mir daher auch überhaupt keine Meinung bilden kann und möchte). Das bedarf immer wieder aufs Neue einer großen Portion Disziplin und auch viel Achtsamkeit, mich dann nicht „überrollen“ und mit in dieses Feld hinein ziehen zu lassen. Denn ich möchte auch von nichts und niemandem mehr dazu „verführt“ werden, in alte „Schutzmechanismen“ zu verfallen, die mir zwar unter Umständen helfen mich abzugrenzen, die mich aber auch gleichzeitig wieder ein großes Stück weit von mir selbst „abschneiden“. Ich muss zugeben, das gestaltet sich im Moment teilweise wirklich ziemlich herausfordernd.

Das Universum hat da gerade einen wirklich großen Trainingsplatz für uns alle eröffnet. Auf dem wir sehr intensiv üben können und dürfen, immer wieder zu uns zurück zu kommen und zu erkennen, wer WIR WIRKLICH sind. Was glaube ICH eigentlich? Was fühlt sich für mich wahr an? Und was möchte ich nicht mehr? Es wird uns sehr intensiv immer wieder die Chance gegeben zu reflektieren, welche „Überzeugungen“, Ideen und Gedanken uns wirklich gut tun, nähren, unterstützen, uns weiterbringen, uns glücklich machen. Weil sie uns helfen, uns selbst näherzukommen. Wir können auch lernen zu erkennen, welche im Gegenzug jetzt endlich mal dringend und ein für alle Mal aussortiert werden dürfen. Weil sie außer der Verlängerung von alten Ängsten, altem Schmerz und dem Nährboden für Manipulation durch andere definitiv keinen „Nutzen“ mehr für uns haben. Haben wir diese Lektion gelernt, brauchen wir vom Leben auch keine Wiederholungen mehr „geliefert“ bekommen.

Ich weiß, ich wiederhole mich, aber das Leben ist IMMER FÜR und niemals gegen Dich. Und die Bereiche, in denen es in Deinem Leben „klemmt“, werden Dir nur aus einem einzigen Grund „gezeigt“: damit Du erkennen kannst, dass es dort noch an Liebe fehlt. Und zwar an Deiner Liebe. Wir haben immer die Wahl und verschiedene Möglichkeiten auf eine Situation zu blicken. Es gibt weit mehr, aber um nur mal drei Wichtige zu nennen: da gibt es den Blick des Opfers, den des „neutralen Beobachters“ oder den Blick der Selbstverantwortung. Und bei Selbstverantwortung geht es nicht um „Schuld“! (übrigens ein häufiges Missverständnis) Wenn ich Verantwortung für alles in meinem Leben übernehme, bedeutet das erstmal einfach nur, dass ich akzeptiere, dass das was ich erlebt habe und mir begegnet ist, ein Teil meiner eigenen Geschichte ist. Nicht mehr und nicht weniger. Um aus diesem „Schatz an Erfahrungen“ immer wieder neu die Entscheidung treffen zu können, wovon ich in Zukunft noch mehr haben möchte und was „weg kann“. Diese Entscheidungen kann ich aber immer nur aus der Annahme, Akzeptanz und Selbstverantwortung heraus treffen. Oder was glaubst Du, setzt in Deinem Energiesystem die größten Reserven für Veränderung frei? Teste es aus. Die Antwort ist jederzeit in Dir. Wenn Du mal wieder in Dir „fest steckst“, begib Dich einfach immer mal wieder in diese drei unterschiedlichen Perspektiven und FÜHLE.

Eigenverantwortung zu übernehmen bedeutet aber immer auch, die Position des Opfers aufzugeben und loszulassen. Sie beide können nicht nebeneinander existieren. Du kannst nicht auf beiden Seiten gleichzeitig stehen. Da es bei Eigenverantwortung NICHT um Schuld geht, brauchst Du Dich aber auch nicht mehr mit so Endlosschleifen wie „ich bin doch selber schuld, dass…“ – „Hätte ich doch nur…“ – „Wenn ich nicht…, dann…“ aufzuhalten. Deine Verantwortung zu übernehmen bedeutet einfach nur, immer wieder die jeweils aktuellen Situationen in Deinem Leben zu betrachten und dann BEWUSST zu entscheiden, ob Du diesen Weg weitergehen oder – aus welchem Grund auch immer – die Richtung ändern möchtest. Und dann VOR DIR SELBST zu dieser Entscheidung zu stehen. Denn Du hast ja immer die Wahl. Du kannst und darfst Dich JEDERZEIT auch wieder neu entscheiden…

Wenn sich jeder einfach nur um seine eigene „kleine Kehrwoche“ kümmern würde, ohne mit seinen Bewertungen ständig mehr im „Hof“ des anderen „herum zu fegen“, hätten wir im Moment alle glaube ich erstmal mehr als genug zu tun. Und wenn dann jeder auch noch damit beginnen würde seinen ganz persönlichen „Unrat“ – ruhig auch unter professioneller Anleitung – nachhaltig zu recyceln, anstatt ihn wahllos über den Köpfen anderer – noch dazu meist vollkommen unbeteiligter Personen – auszukippen, bin ich überzeugt davon, unsere Welt wäre deutlich harmonischer, friedlicher und freundlicher.

Ich weiß nicht, ob die altbekannte Redensart auf die schwäbische Kehrwoche oder auf den Dichter Johann Wolfgang von Goethe zurückgeht. Aber da er überliefert ist, möchte ich ihn zum Abschluss hier gerne noch zitieren: „Ein jeder kehre vor seiner Tür und rein ist jedes Stadtquartier“. In diesem Sinne wünsche ich Dir eine erfolgreiche „kleine Kehrwoche“… J

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